Zupforchester?
Was ist das?
Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein
Der Mandolinen-Stammbaum
Geschichte und Entstehung
Mandolinen-Modelle
Mandoline in der Kunst
rund um die Mandoline
Historische Zupfmusik Zeitschriften
Taktgefühl –
Die Geschichte der kleinen Fuchtel
STERN, 1981, Nr. 18
Die Geschichte der kleinen Fuchtel, die es erst seit 150 Jahren gibt, ist die Geschichte der großen Kapellmeisters, eine Story von Ehrgeiz und Besessenheit, Magie und Macht, von Listen und Launen.
Gegenüber den Musikern fühlen sich Dirigenten wie Väter unmündiger Kinder oder wie Seelennärzte; dem Publikum präsentieren sie sich als Raubtierbändiger und Magier. Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht: Allein vor dem Orchester stehend, dem Publikum den Rücken zukehrend, ist der Mann mit dem Stab Herr über Leben und Tod der Töne.
Und sie wurden seit jeher Diktatoren geschimpft: 1835 hieß der dirigierende Komponist Gaspara Spontini "Napoleon des Orchesters". Den Titel erbte, 100 Jahre später, der Holländer Willem Mengelberg. der die Wiener Philharmoniker derart triezte. dass sie ihn „Bemängelberg“ nannten. Der Italiener Arturo Toscanini verwandelte sich vor dem Orchester in ein „Instrument der Furcht“. Gustav
Mahler war dämonisch, despotisch, unbeherrscht, sarkastisch und ein Genie" - und damit typisch für die Herren, die man in Deutschland martialisch „Generalmusikdirektor“ nannte.
Höchst selten trat ein Maestro als gewaltloser Herrscher" auf, wie der sanfte Bruno Walter. Öfter als „Kunstpriester“ à la Furtwängler, der sich vornehmlich von der Inspiration ernährte und auf Kollegen den Eindruck eines "erleuchteten Mystikers" zu machen verstand.
Groß in Mode ist der Pulttänzer von der Art Leonard Bernsteins, der, so beobachtete der Komponist Igor Strawinsky, „die Aufführung einer Aufführung“ vorturnt und zum Schluss Partitur und Musiker küsst und schließlich das ganze Publikum umarmt.
Der Komponist war im 17. und 18. Jahrhundert zugleich Interpret seiner Werke. Der Kapellmeister stand aber noch nicht, wie heute, hoch über dem Orchester, sondern saß mittendrin am Cembalo und spielte harmonische Stützakkorde. Ihm half sein Konzertmeister, meist der erste Geiger, der die Stimmen anführte, mit dem Bogen den Takt schlug und die Musiker zu möglichst präzisem Spiel anhielt.
Um sich in den Partituren selber zurechtzufinden und den einzelnen Instrumentengruppen präzis das Zeichen zum Einsatz geben zu können - Brahms’ erste Symphonie enthält 55 Noten im ersten Takt, und es gibt 1260 Takte in vier Sätzen -, unterteilte Ludwig Spohr die Partituren in Buchstaben und Nummern. Heute brauchen die Dirigenten bei der Probe nur noch zu sagen: 4 Takte vor H oder 6 Takte nach Ziffer 14.
Der Umgang mit Partituren war bald eine Sache von Spezialisten. Nach den dirigierenden Komponisten Wagner und Berlioz folgten - abgesehen von Gustav Mahler und Richard Strauss, - nur noch Kapellmeister, die keine Musik mehr schrieben, aber so taten, als ob allein sie den Konzertsaal mit dem Zauber des Übermenschlichen illuminierten. Fast alle vergassen sie einen von dem Sänger und Mendelsohn-Freund Eduard Devrient aufgestellten Lehrsatz: „Ein Aufgabe aller Dirigenten ist doch wohl: sich möglichst unmerklich zu machen.“
Welch ein Rat für eine Zunft, die wie die der Magier und Medizinmänner ohne Schauspielertum nicht existieren kann. Schon Hans von Bülow (1830–1894), der erste grosse Dirigierspezialist, kleinwüchsig wie viele Grosse seiner Zunft und bissig, selbstherrlich, sarkastisch, setzte sich verbal und gestisch gross in Szene.
Mit einem phantastischen Gedächtnis gesegnet, dirigierte er alles auswendig und erteilte dem jungen Richard Strauss den Rat: „Sie müssen die Partitur im Kopf und nicht den Kopf in der Partitur haben.“. Bevor er den Trauermarsch aus der „Eroica“ zelbrierte, streifte er sich schwarze Handschuhe über. Um die „Ungläubigen mit einem Feuerwehrschlauch zu taufen“ setzte er Beethovens „Neunte“ en einem Abend zweimal aufs Programm, was selbst Gutwillige auf immer verschrecken kann.
Die nicht Gutwilligen – Musiker und Publikum – bedachte er mit Tobsuchtsanfällen, die Normalsterblichen die Einweisung in eine Irrenanstalt eingebracht hätten, bei Dirigenten aber offenbar als ganz besondere Qualifikation angesehen werden. Der Franzose Charles Lamoureux (1834–1899) malträtierte seine Musiker derart, dass es zur Revolte kam. Der Dirigent fühlte sich bedroht, zog die Pistole und schrie: „Wenn ich angegriffen werde, finden Sie mich bereit.“ Was der Ungar George Szell (1897–2970) sagte: „Du kannst nicht ein netter Bursche sein und ein grosses Orchester erziehen.“ – das gilt für fast alle.
„Der Dirigent zittert am ganzen Körper“, beobachtete der Cellist Gregor Piatigorsky in tausenden von Konzerten, „schwitzt übermäßig und wechselt nach der Pause und nach dem Konzert das Hemd, während die Musiker in derselben Unterwäsche nach Hause gehen. Der Dirigent ist hypersensibel, und eine einzige falsche Note eines Musikers kann ihn zur Verzweiflung bringen. In solchen Momenten könnte er einen Mord begehen, er tut es aber nie und wirft dem Musiker nur einen Blick zu, einen niederträchtigen Blick.“
Keiner warf die besser als Toscanini. Der tobte und schrie beim geringsten Patzer, zerbrach im Verlauf seiner fast siebzigjährigen Karriere Hunderte seiner extralangen (46 cm) Taktstöcke, zerdepperte auch mal einem Weltklassegeiger eine Stradivari auf dem Schädel und liess sich vom Arzt bescheinigen, dass er beim Dirigieren „bis zur Unzurechnungsfähigkeit ausser sich sei!“
Literatur zur Musik