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Orchester Portrait

Hamburger Mandolinen-Orchester

von 1928 e.V. bis 2019

Die Kopenhagenfahrt

Es begann im Jahre 1953…

 

Durch unser Mitglied Hans Schmidt, dessen Schwager Gert Conrad in Kopenhagen lebte, wurden die ersten Kontakte zu dänischen Musikfreunden aufgenommen. Nachdem der Anfang gemacht war und der briefliche Kontakt uns recht bald näher brachte, wurde der Wunsch ausgesprochen, die deutschen Musikfreunde nach Kopenhagen einzuladen.

 

Um alle Einzelheiten zu besprechen, kam dann Richard Irlind („Tykke“) - Dirigent des Mandolinorkestret „LOCO“, Kopenhagen - nach Hamburg. Man war sich sofort sympathisch, es wurden alle wichtigen Fragen geklärt und die offizielle Einladung ausgesprochen.

Nun hieß es für die Hamburger, die nötigen Formalitaten für die Reise zu erledigen - was damals ja noch wesentlich schwieriger war als heute - und sich musikalisch vorzubereiten.

 

Wir waren das erste deutsche Orchester, das nach dem Krieg nach Dänemark eingeladen wurde und dort öffentlich auftrat. Das gab der Fahrt eine ganz besondere Bedeutung, die wir Jüngeren zur damaligen Zeit gar nicht so bewusst wahrnahmen. Wir gingen ziemlich „unbelastet„ auf die Reise. Für die Älteren aber muss diese erste Fahrt ins Ausland doch sehr viel mehr bedeutet haben.

 

Endlich am 19. März 1954 kam der große Tag unserer ersten Reise nach Kopenhagen. Wir waren eine große Gruppe van ca. 85 Personen (Mitglieder des Hamburger Mandolinen-Orchesters, des Altonaer Mandolinenorchesters, des Jugendorchesters des DAM Bezirk Hamburg und einige den Gruppen befreundete Teilnehmer). Wir fuhren mit zwei großen Reisebussen. Bereits morgens um 4 Uhr trafen wir uns vor dem Lokal von Alfred Bruns (später Mause) und nahmen teilweise noch müde und verschlafen unsere Plätze ein. Dann war es soweit. Die Busse setzten sich in Richtung Fähre in Bewegung. Wir waren alle voller Erwartung, was uns diese Reise bringen wurde.

 

Der Fahrer unseres Busses war ein gemütlicher Bayer mit dem schonen Namen „Seppl“, und wir hatten viel Spass mit ihm. Als wir in Großenbrode auf das Fahrschiff „Deutschland“ kamen, war das für uns ein tolles Erlebnis, denn wer von uns war schon einmal mit einem solchen Schiff gefahren?

Nachdem sich unsere größte Wissbegierde gelegt hatte, meldete sich unser Magen. Wir waren alle sehr früh aufgestanden und wollten nun gerne frühstücken. Bis zur Ankunft in Gedser hatten wir gute 3 Stunden Zeit und so stärkten wir uns erst einmal im Restaurant der „Deutschland“ mit

einem ordentlichen Frühstück. Nachdem wir dann alle rundum zufrieden waren, versammelten wir uns nach und nach im Salon des Fährschiffes, und es wurde auch fleißig gesungen, was die anderen Passagiere sehr gefreut hat. Dann näherten wir uns Gedser, und wir mussten unsere Plätze im Bus wieder einnehmen.

Jetzt wurde es natürlich ganz spannend, denn für die meisten unter uns war es die erste Fahrt ins Ausland. Wie wurde es nun bei der Einreise nach Dänemark vor sich gehen?

Würde man freundlich zu uns sein oder uns irgendwie spuren lassen, dass der Krieg auch in Dänemark Wunden und Vorurteile gegen die Deutschen hinterlassen hatte?

Dann war es soweit, ein dänischer Beamter kam und kontrollierte unsere Sammelpässe. Es ging alles glatt, weil unsere Unterlagen in Ordnung waren, und wir kannten in Richtung Kopenhagen fahren.

 

Als wir kurz vor Kopenhagen angekommen waren, wurden unsere Busse plötzlich angehalten. Es waren unsere dänischen Freunde, die uns in Empfang nehmen und in die Stadt geleiten wollten. Wir blickten voller Interesse aus dem Bus und sahen einen großen Mann mit Pelzmütze und (unvermeidlicher) Zigarre auf unseren Bus zukommen - das war unser erstes Zusammentreffen mit Richard Irlind. Wir wurden dann in die Stadt gelotst, wo die dänischen Freunde uns bereits erwarteten. Hier wurden die Quartiere verteilt, einige kamen in Privatquartieren unter, einige sogar in Hotels, die meisten kamen in die alte Jugendherberge in der Vordingborggade (die neue Herberge in Bellahøj gab es damals noch nicht).

Wir bekamen alle eine „Legitamationskort“, auf dem unser Name und die Adresse unserer Unterkunft standen, und außerdem ein Programm, das die Dänen für unseren Aufenthalt ausgearbeitet hatten, so daB wir nun über alle Punkte wie Proben, Konzert etc. informiert waren.

 

 

 

 

Auf der ersten gemeinsamen Probe mit den Dänen lernten wir die Musikfreunde aus Kopenhagen kennen, und es kam bei allen das Gefühl auf, dass wir eigentlich prima zusammenpassten, denn man hatte doch von beiden Seiten mit einiger Spannung dieser ersten Begegnung entgegengesehen.

Für die Zeit unseres Aufenthaltes war auch ein Besuch der „Stjernbryggeri“ vorbereitet worden. (Die Brauerei ist heute abgerissen, und es stehen dort moderne Wohnungen).

Es war sehr interessant für uns, die Arbeiter bei der Herstellung, Abfüllung etc. des Gerstensaftes zu beobachten, und man war auch hier sehr freundlich zu uns. Von der Galerie der großen Halle aus konnten wir unten die Arbeiter sehen, und wir haben uns bei ihnen mit einigen Liedern für die freundliche Aufnahme bedankt, was mit Beifall aufgenommen wurde. Nachdem die Besichtigung abgeschlossen war, gab es für uns an langen Tischen eine große „Bierprobe“, dazu aßen wir unsere mitgebrachten Butterbrote.

 

Nun fieberten wir verständlicher Weise unserem Konzert entgegen und waren gespannt, wie wir wohl ankommen würden. Das Konzert des Hamburger und Kopenhagener Orchesters fand im „Odd Fellow Palae“ in der Bredgade statt, und der Saal war total ausverkauft.

Es hatten sich also doch viele Leute für das Auftreten eines deutschen Orchesters interessiert. Wir wurden für unsere Darbietungen mit großem Beifall bedacht. Es war ein voller Erfolg.

Nachdem nun der „Ernst“ hinter uns lag, kam auch die Freude nicht zu kurz, und wir versammelten uns nach dem Konzert alle im Klubheim des Ruderklubs „Kvik“. Hier waren lange Tafeln gedeckt und wir bekamen ein köstliches Gulasch serviert und auch noch einige dänische Spezialitäten. Im Laufe des Abends bzw. der Nacht kam auch die Gemütlichkeit zu ihrem Recht, es wurde getanzt und gesungen. Hier bahnten sich die ersten Kontakte mit den Dänen an, die zum Teil bis heute noch bestehen. Einige der dänischen Freunde konnten deutsch, mit ihnen konnte man sich

gut unterhalten. Mit den Dänen, die kein Wort deutsch konnten, gab es aber auch keine Verständigungsschwierigkeiten, denn die wichtigsten dänischen Wörter wie „tak“ und „skaal“ beherrschten wir inzwischen, damit kommt man schon zurecht. Es war wirklich eine sehr gelungene Feier.

Am anderen Morgen sollte es wieder gen Hamburg gehen. Wir waren alle ein bisschen traurig, dass wir uns von den neu gewonnenen Freunden schon wieder trennen sollten.

Da aber im gleichen Jahr im September das Musikfest des DAM in Hamburg stattfinden sollte, wurden die Dänen zur Teilnahme eingeladen, und wir hatten so Aussicht, uns bald wieder zu treffen.

 

Natürlich kamen wir in Kopenhagen nicht pünktlich weg, da jemand den Zeitpunkt der Abfahrt wohl nicht beachtet hatte. So fuhren wir mit ziemlicher Verspätung ab. Weil wir die Fähre in Gedser rechtzeitig erreichen mussten, fuhr unser „Seppl“ wie der Teufel und rief immer, wenn er wieder eine „Schnecke“ vor sich hatte: „Den putz ich weg, dem fahr ich den A… ab.“ (Das natürlich in seinem schönen bayrischen Dialekt). Nun, wir haben die Fähre erreicht, obwohl wir teilweise ganz schön gezittert haben. Auf der Fähre sagten uns nachher einige Leute, die uns unterwegs

gesehen hatten, wir waren so wild gefahren, dass sie uns schon im nächsten Graben gesehen hätten.

Langsam ging nun die Reise ihrem Ende entgegen und viele erlebten die Ankunft in Hamburg schlafend, weil die Reise doch sehr anstrengend gewesen war. Aber es war eine wunderschöne Reise gewesen, und wir hatten viele Eindrucke mitgebracht, die wir erst einmal in Ruhe verarbeiten mussten. Das größte Erlebnis für uns war aber doch unsere neue Freundschaft mit den Dänen, die viele Jahre gehalten hat und teilweise noch besteht.

 

Erika Nommensen